Goldilocks Ausgabe 01 | Page 4

Titelstory


Auf zu neuen Welten!



Wie globale Digitalkonzerne die Banken herausfordern.



Vorbei sind die Zeiten, in denen Google nur eine Suchmaschine war und Apple seine eingefleischten Fans mit begehrter Hardware versorgte. Heute können wir täglich staunen, was die Digitalkonzerne inzwischen alles machen oder planen – von Voice-Applikationen bis zu selbstfahrenden Autos. GAFA (Google, Amazon, Facebook und Apple) sowie Paypal bündeln auf ihren Plattformen unterschiedliche Angebote, die für das Kerngeschäft einer Bank für sich genommen erst mal harmlos sind.

Bei genauerem Blick erkennt man, wie weit die Konzerne schon ins Banking vorgedrungen sind: Amazon und Paypal vergeben Kredite an ihre Geschäftskunden. Google hat sein mobiles Bezahlangebot gerade unter dem Titel Google Pay neu aufgestellt. Facebook testet mit seiner Tochter WhatsApp in Indien Payments und seit zwei Jahren können Entwickler bereits das Zahlen per Facebook Messenger
verwenden. Und Apple, nun ja: Schwer zu sagen, wann in Deutschland ein Bezahlsystem das letzte Mal so sehnsüchtig wie Apple Pay erwartet wurde, zumindest von einer speziellen Zielgruppe.

Die Tech-Giganten bieten all dies nicht an, weil sie unbedingt ins Banking einsteigen wollen. Aber sie wittern in dem Bereich viel Geld, weil auch dort zum Tragen kommt, was sie groß gemacht hat: Netzwerkeffekte. Heißt: Mit jedem Nutzer werden die Produkte attraktiver für alle anderen Nutzer. Facebook funktioniert besser als andere sozialen Netzwerke, weil ich dort „alle“ finde. Gleichzeitig wollen Werber diese „alle“ erreichen, was dann wieder viel Geld in Facebooks Kassen spült, mit dem das Produkt noch unersetzlicher für „alle“ gemacht wird. Den Banken haben GAFA einiges voraus: Sie haben Innovation und Agilität in der DNA. Sie sind zwar Dickschiffe, haben aber das Experimentieren nicht verlernt. Wie die Banken haben die Digitalkonzerne eine große Nutzerbasis – nur: Sie wissen, wie man Geschäfte mit dem Rohstoff Daten macht. Nicht zuletzt sind sie Gatekeeper: Amazon entscheidet beispielsweise, welche Angebote auf seine Voice-Applikation Alexa zugelassen werden. Wenn diese datenschürfenden Gatekeeper weiter ins Banking vorstoßen, wird das radikale Veränderungen mit sich bringen, insbesondere in den Zielgruppen der Zukunft.

Was heißt das für die Banken? Die haben mehrere Möglichkeiten.


Definition



Der Netzwerkeffekt (auch Netzeffekt oder Netzwerkexternalität) beschreibt, wie sich der Produktnutzen für einen Konsumenten ändert, wenn sich die Anzahl anderer Konsumenten desselben Produktes ändert.

Die Giganten der Netzökonomie sind längst ins Banking eingestiegen


1. Sie werden zur Plattform


In der Zukunft wird es eher Banking-Plattformen als die guten alten Universalbanken geben. Im besten GAFA-Sinne lohnt es sich also für Banken, vom Alles-selber-machen Abstand zu nehmen. Sie können ja weiterhin ein Girokonto anbieten, müssen aber verinnerlichen, dass andere die besseren Produkte haben – und diese einbauen. Kunden sind dann beim morgendlichen Kontocheck nur einen Klick entfernt vom Festgeldvergleich. Die Fidor Bank und die Mobile-Bank N26 machen das bereits so: mit Vollbanklizenz, eigenen Banking-Angeboten und Produkten anderer. Beide zeigen, wie man Netzwerkeffekte erzeugt. Sie haben das Wettrennen um die Plattform-Führerschaft im Banking eröffnet.

Netzwerkeffekte



Den eigenen Kundenzugang für andere Anbieter zu öffnen - also zur Plattform zu werden - ermöglicht Netzwerkeffekte.

Dem Spezialisten ist es herzlich egal, wer dieses Rennen macht. Das ist Option zwei, wie Banken auf GAFA reagieren können:

2. Sie spezialisieren sich


Der Spezialist kann sein Produkt hemmungslos auf allen Plattformen anbieten und so seine Marktführerschaft in einer Nische ausbauen. Wenn eine Bank in einem Bereich besonders stark ist, kann es sich also lohnen, sich zu fokussieren. Dadurch wird das eigene Angebot noch lange nicht unsichtbar. Wie bei Exporo, dem deutschen Marktführer im Immobilien-Crowd-Investment. Das Unternehmen macht es für Kleinanleger möglich, in Immobilien zu investieren. Natürlich vertreibt Exporo sein Produkt selbst, integriert es aber auch auf immer mehr Plattformen, etwa bei der Fidor Bank. Für die Hamburger ist es irrelevant, woher ihre Anleger kommen – je mehr es
sind, desto attraktiver sind sie für die Finanzierungsprojekte und umgekehrt. Wieder: Netzwerkeffekte!

3. Netzwerkeffekte selbst machen


Die ersten beiden Optionen schließen einander nicht aus. Eine Bank kann auch Spezialist sein und sich gleichzeitig als Plattform mit Drittanbietern positionieren. So wie die Fidor. Auch die Deutsche Bank hat kürzlich den Anspruch formuliert, selbst zur Plattform-Bank zu werden. Man wolle nicht zum Zulieferer für die Tech-Giganten degradiert werden, hieß es. Also versucht das Unternehmen seine eigenen Netzwerkeffekte zu erzeugen: In einem Konsortium mit Allianz und Daimler will die Deutsche Bank einen einheitlichen Online-Ident à la Facebook-Login etablieren. Ob das klappt – abwarten. Auf jeden Fall stellt die Bank bei dieser Produktentwicklung den Kunden in den Mittelpunkt. Das sollte inzwischen eigentlich Standard sein, ist es aber mitnichten. Auch bei GAFA ist das übrigens nicht (mehr) der Fall, denn die Netzwerkeffekte haben zu monopolistischen Strukturen geführt. Und als Monopolist muss man sich nicht so sehr um seine Kunden kümmern wie andere. Noch betreiben diese Monopolisten nur Banking light. Der richtige Zeitpunkt für Banken, in das Wettrennen der Plattform-Banken einzusteigen, ist jetzt.

Unser Buchtipp



Platform Revolution, Geoffreyy G. Parker, Marshall W. Van Alstyne, Sangeet Paul Choudary

Autoren: Clas Beese, Co-Founder von finletter und Carolin Neumann, Co-Founder von finletter