Wie KMUs die Fintech-Branche zum Banking as unusual bringen.
Es war einmal eine Zeit, da hat Amazon nur Bücher verkauft und Jeff Bezos war im Grunde nur ein digitaler Buchhändler. Doch „Business as usual“ ist nichts, womit sich der amerikanische Gründer identifizieren kann.
Mit seiner Art, die Geschäftswelt zu revolutionieren, gehört er heute zu den erfolgreichsten Unternehmern der Welt.
Mit Amazon vertreibt er nämlich nicht mehr nur noch Bücher, wie einst in den Neunziger Jahren. Er verkauft im Grunde alles und schafft es darüber hinaus, schnell auf veränderte Bedürfnisse am Markt zu reagieren.
Das ganze Angebot ist darauf ausgelegt, dass Kunden das für sich beste Produkt finden können: ein enorm breites Sortiment aus eigenen Produkten, aber vor allem Produkten dritter; mit guten Such- und Sortiermöglichkeiten und einer schnellen, simplen Kaufabwicklung.
Was Amazon aber so gut wie nie macht: persönliche Beratung.
Doch das ist genau das, worauf Banken auch in Zeiten der Digitalisierung setzen. Sie machen Banking as usual: Ausgehend von dem, was bei Privatkunden lange funktionierte und was bei großen Geschäftskunden Usus ist, stellen sie auch einem KMU erst einmal einen Berater zur Seite.
Nun gibt es oft wiederholte Zahlen, die sagen, dass 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland kleine und mittelständische Betriebe sind. Das sind eine Menge Kunden, um die sich die persönlichen Berater kümmern müssen. Was bei den großen Kunden mit entsprechendem Volumen funktioniert, ist allerdings der falsche Ansatz im Umgang mit kleineren Geschäftskunden – und das nicht erst seit der Digitalisierung.
Doch anders als früher gibt es heute für Banken ganz andere Möglichkeiten, mit einer Masse an kleinen Geschäftskunden umzugehen und dabei profitabel zu sein – siehe eben Amazon. Die Zeit von Banking as unusual ist angebrochen: Herausforderer wie Penta, Holvi oder Kontist stellen genau wie Amazon ihre Konditionen nach vorne, aber keine persönliche Beratung, sie ist gar vorgesehen. Die Kundenbedürfnisse von KMUs sind grundsätzlich recht ähnlich: Kontoführung, Kreditkarte, Überziehungskredit, Onlinezahlungen empfangen etc. Und was häufig und oft vorkommt, kann digitalisiert werden. Und was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert.
Die Frage ist nur: Von wem?
Aktuell sind das eben nicht die Banken und Sparkassen. Wer sich digital bei den etablierten Instituten nicht aufgehoben fühlt, wird heute schnell geworben von der digitaleren Konkurrenz. Als Christopher Platener sich von seiner Bank nicht ernst genommen fühlte, gründete er sogar selbst eine eigene. Seither ist er nämlich Chef bei Kontist, einem Banking-Dienstleister, der sich auf Freelancer fokussiert. Kontists zweite Geschäftsführerin, Sibylle Strack, packt das Problem des heutigen Business Banking in eine einfache Formel:
„Die Banken bieten eben nur Banking an.“
Was sie meint: Natürlich ist Banking das Kernprodukt einer Bank und eines, das Unternehmen zwingend benötigen. Doch die „Pain Points“ zum Beispiel junger Selbständiger lägen woanders, sagt sie. Kontist zum Beispiel hilft seinen Kunden, für die Steuer anzusparen, um nicht von Rückzahlungsforderungen überrascht zu werden, ein definitiver „Pain Point“ vor allem zum Beginn einer Selbstständigkeit. Penta hat den Prozess der Kontoeröffnung im Rahmen einer GmbH-Neugründung optimiert – was bei etablierten Banken mehrere Wochen oder Monate dauern kann, geht bei Penta innerhalb von einer Woche. Und manche Unternehmer würden ihre Bank wohl danach auswählen, wie sie am Besten zum Buchhaltungstool der Wahl passt.
So wie sich KMUs in Zeiten der Digitalisierung weiterentwickeln, müssen sich auch die Lösungen für ihren Alltag weiterentwickeln. Aus der Perspektive eines Kunden gedacht ist Banking eben nur ein Teil ihrer betriebswirtschaftlichen Logik, dazu gehören auch Shopware, Rechnungsstellung, Buchhaltung, Factoring, Payment Service, Steuersoftware etc. Wer im KMU-Banking erfolgreich sein will, der achtet darauf, dass seine Produkte mit anderen Anbietern integrierbar sind. Das gilt sowohl für Herausforderer als auch für Etablierte. Beim Wettrennen zwischen diesen beiden haben die etablierten Institute einen erheblichen Startvorteil: die Beziehung zu den Kunden. „Die haben mit einem Knaxkonto angefangen und sich dann zu einem Geschäftskonto hochgearbeitet“, sagt Sibylle Strack, die vor Kontist selbst beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) war und deswegen beide Seiten kennt. Die Sparkassen nutzen ihre erste große Stärke – das Vertrauen ihrer Kunden – überhaupt nicht, wenn sie die neuen „Mindestanforderungen“ von KMU nicht erfüllen.
Startups springen ein
Die entstehende Lücke nutzen dann nämlich junge Unternehmen. So bieten beispielsweise SumUp und iZettle längst nicht nur unkomplizierte Payment-Lösungen, sie wollen außerdem das Kassensystem stellen, die Steuererklärung automatisiert vorbereiten oder gleich eine E-Commerce-Plattform mitliefern.
Die Vorteile für den Kunden liegen auf der Hand: Bei Lösungen aus einem Guss entfallen Papierkram und aufwendige Abstimmungsversuche.
So bleibt mehr Zeit für das Kerngeschäft. Auch die KMUs selbst haben hier noch Nachholbedarf. „Viele Kunden haben die durchdigitalisierten Prozesse von Amazon und Co. lieben und schätzen gelernt. Das betrifft insbesondere auch das breite Angebot an Zahlungsmöglichkeiten“, sagt Marc S. Tenbieg, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bundes. „KMU in Deutschland müssen hier zum Teil noch sehr viel nachholen, um integrierte und kundenfreundliche Systeme einzuführen.“ Tenbieg wünscht sich dabei aber auch Unterstützung durch die Sparkassen: „Wünschenswert wäre es, wenn die Sparkasseninstitute ihre bestehenden elektronischen Zahlungsangebote für den Handel integrierter und vor allem günstiger anbieten würden.”
Jetzt sind Banken nicht vergleichbar mit Buchhandlungen. Nicht in der alten Zeit und nicht in der digitalen Welt. Trotzdem lässt sich von Amazon lernen, wie man Prozesse automatisiert und diese eben auch einen Branchenstandard bilden. Nicht alle KMU-Kunden werden sich mit den Produkten von der Stange, die Kontist, Penta und Co. sie anbieten, zufrieden geben. Doch diese Herausforderer setzen gerade Standards. Diese müssen Sparkassen beherrschen, wenn sie auch ihre zweite große Stärke, die persönliche Beratung, gewinnbringend ausspielen wollen.
Autoren: Clas Beese, Co-Founder von finletter und Martin Pieck, finletter-Redakteur