Goldilocks Ausgabe 10 | Page 26

Das Interview führte : Clas Beese Co-Founder von finletter

GEN Z AUSGABE 10

Bild : Isabell Welpe

INTERVIEW

LESEDAUER : 9 MIN

ISABELL WELPE " DIE GEN Z WIRD DAHIN GEHEN , WO IHREN PAIN POINTS BEGEGNET WIRD "

Wir sprachen mit Prof . Dr . Isabell M . Welpe , Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre – Strategie und Organisation an der TU München , zu Technologien und Trends in der Finanzwirtschaft , die durch die Gen Z getrieben werden .

Goldilocks : Frau Welpe , in unserer der aktuellen Goldilocks Ausgabe beschäftigen wir uns mit der Generation Z im Kontext des digitalen Strukturwandels in der Finanzwirtschaft . Einer Ihrer Schwerpunkte ist das Machine Learning – hat diese Technologie bereits einen Einfluss darauf , wie die Generation Z Banking betreibt ? Wie gehen die heutigen Teenies und jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 damit um ?

Isabell Welpe

Zurzeit konvergieren unterschiedliche technologische Entwicklungen . Zum einen geht es wieder weg von einer Plattformökonomie , die durch zentrale Player wie Google , Facebook , Apple , also die GAFAs dieser Welt , dominiert wird , hin zu einer Dezentralisierung , in der nicht ein einzelner Akteur alle Daten hat und allein darüber entscheidet . Die zweite Entwicklung umfasst alles , was mit Quantum Computing , Rechenkapazität und Machine Learning zu tun hat . Für Unternehmen und Kunden – und somit auch für die Gen Z – sind diese Entwicklungen insofern wichtig , weil durch sie neue und bessere Möglichkeiten entstehen , die Bedürfnisse jeder einzelnen Kund * in besser zu erfüllen als zuvor oder als es die Konkurrenz tut .

Was bedeutet das für Banken und Sparkassen ?

Dass man sich damit auseinandersetzen muss . Denn jede Kund * in hat ihre Pain Points mit ihren Unternehmen und natürlich auch auch mit ihren Banken . Und genau an diesen Pain Points liegen die Umsätze , also der Cash Flow . Wenn ich diese Pain Points adressiere , kann ich schlicht mehr Geld verdienen . Die Gen Z wird dahin gehen , wo ihren Pain Points begegnet wird – das gilt im Übrigen auch für alle anderen Generationen .

Wo liegen die Pain Points der Gen Z im Banking ?

Das ist hinreichend bekannt . Ich würde zum Beispiel die starren Öffnungszeiten nennen . Jemand , der jung ist , kann nicht mehr nachvollziehen , warum sie oder er am Samstag nichts mehr tun kann mit der Bank . Da kommen Fragen auf : Warum kann ich nicht mit Wertpapieren handeln , warum kann ich kein Geld überweisen ? Das ist völlig aus der Zeit gefallen . Alles , was starr ist und eine Einschränkung des Zugangs bedeutet , was überproportionale Gebühren für Leistungen erzeugt , die dann auch noch langsam sind , trifft auf Befremden . Und alle neuen Anbieter , die es da so gibt , ob es Fintechs oder Neo-Banks oder dann demnächst die ganzen Blockchain getriebenen Applikationen sind , adressieren genau diese Pain Points . Dafür sind Kund * innen dankbar . Den etablierten Finanzunternehmen wird das aber eine Menge Herausforderungen bereiten .

Für die unter 18-Jährigen aus der Gen Z ist ja ein großer Pain Point , dass sie nicht online bezahlen können . Die meisten Teenies , auch bei den Sparkassen und Volksbanken , haben ein Konto mit Girocard ohne Mastercard / Debitcard-Ausstattung , die online nicht zu benutzen ist . Die erste Generation der Teenie-Banken bedient nun genau diesen Pain Point , ohne dass dabei eine technologische Sensation dahinter steckt . Was erwartet uns hier in Bezug auf die oben genannten technologischen Entwicklungen , zum Beispiel in Bezug auf das Bezahlen ?

Beim Bezahlen kam der Sprung durch Papypal , wo statt einer IBAN einfach eine E-Mail-Adresse für Onlinezahlungen verwendet wird . Eine simple Idee , die ein direktes Kundenbedürfnis adressiert , die aus Sicht der Banken und Sparkassen aber eben leider jemand anderes hatte . Und so wird es auch in Zukunft sein , dass simple Ideen von anderen kommen , wenn die deutsche Wirtschaft ihre Organisationen nicht so umbaut , dass sie immer vom Kundenbedürfnis her denken . Deutschland denkt von der Technologie her und vielleicht noch vom Produkt . Das ist aber nicht mehr zeitgemäß . Das attraktivste Produkt ist immer dasjenige , das mein Problem hier und jetzt und möglichst unaufwändig löst . Darum geht es in der Autoindustrie und eben auch in der Finanzindustrie .

Wie könnte man es denn einfach anders machen ?

Ein Beispiel : Eric Yuan , der CEO von Zoom , hat lange Zeit jede einzelne Kund * in persönlich angerufen , die gekündigt hat , um zu verstehen , warum . So wollte er Zoom zum besten Produkt für Video-Calls machen , was ja auch gelungen ist . Die Frage „ Wisst ihr eigentlich , warum Kunden gehen ?" sollte man jedem Vorstand stellen .

Wie könnte Machine Learning dabei helfen ?

Alles geht da hin , dass ich kein Standardprodukt mehr habe , sondern nach dem Motto „ What you get is what you need " verfahren wird . Dazu braucht man aber jede Menge Daten , weil ich nicht voraussehen kann , was der Kunde morgen will , wenn ich nicht große Mengen Daten von ihm habe . Auch das ist wieder ein deutsches Problem , weil Datenschutzstandards und Kultur hier nicht reinpassen . Banken haben ja aber jede Menge Daten und müssten sie nur vernünftig auswerten . Google und Facebook machen es , Banken und Sparkassen machen es nicht . Natürlich spielt hier auch die Regulierung eine Rolle , aber es ist eben auch ein Problem der Kultur . Der Trend geht dahin , vorherzusagen , was meinen Kund * innen persönlich gefallen wird und was sie brauchen werden . Hier kommen Algorithmen ins Spiel und dadurch auch Machine-Learning-Technologien , weil sie helfen , aus meinen Daten maßgeschneiderte und damit unwiderstehliche Angebote zu machen . Und da Blockchain Pseudonymisierung erlaubt , wird hier auch diese Technologie interessant . So würde ein kluges Datenrechtemanagement möglich und die Kund * in wäre eben nicht mehr gläsern . Ein zukünftig erfolgreicher Player im Banking wird Datensouveränität einführen . Man darf nicht vergessen , dass die Kunden ja Daten teilen wollen , um maßgeschneiderte Angebote zu bekommen . Was sie aber nicht wollen , ist , dass diese Daten dann irgendwo in Kaliforniern lebenslang gespeichert werden . Die Zentraldatenmodelle werden also von Angeboten abgelöst , die Kund * innen die Kontrolle zurückgeben .

Jetzt braucht es für dieses Modell die Daten , die Technologie sie auswerten zu können und für die Kommerzialisierung auch den Kundenzugang – wer wird diese drei Dinge am ehesten zusammenbringen können ?

Den besten Zugang haben natürlich die Anbieter von Betriebssystemen , weil hier die Software-Hardware-Schnittstellen liegen . Da ist Europa in allen Bereichen hinten dran . Die Aufgabe müsste sein : Ich entwickle den Hardware-Nachfolger des Smartphones und sichere mir so die Möglichkeit , meine eigene Software durchzudrücken . Solange dieser Zugang nicht besteht , bleibt nur die Möglichkeit , mit Apps zu arbeiten . Die aber wiederum müssen so gut sein , dass sie Kunden in Massen überzeugen . Dafür müsste die ganze Ausrichtung zunächst mal auf den Kunden erfolgen . Ohne Customer Centricity wird das nicht funktionieren und davon sind deutsche Unternehmen meilenweit entfernt . Jede Frage , die sich in einem Unternehmen stellt , müsste dafür mit der Gegenfrage „ Macht das die Kunden zufriedener ?" beantwortet werden . Genau da liegen die Umsätze .

Warum agieren Unternehmen nicht kundenzentriert und verspielen damit zum Beispiel den Zugang zur Gen Z ? Welche Muster liegen dahinter ?

Diese Frage muss man sich in der Tat stellen . Vielleicht fehlt es auf Vorstandsebene an Mut und Interesse daran , die Firma zu retten . Auf einem solchen Posten will man vielleicht eher , dass nichts schiefgeht . Anders kann ich es mir nicht mehr erklären . Die Erfolgsfaktoren haben sich im Vergleich zu vor 15 Jahren komplett umgedreht , da sind sehr viele nicht mitgekommen . Aus meiner Sicht läuft man hier sehend in ein Riesenproblem herein . Man müsste auf Vorstandsebene viel stärker in kognitiv diverseren Teams und in Netzwerken arbeiten , um den Turnaround zu schaffen . Die Affinität zur heutigen Leitindustrie , der Informationstechnologie , fehlt einfach vielerorts . Eine offene Kultur , die auch Leuten zuhört , die zunächst verrückt klingende Ideen haben , wäre in jedem Fall hilfreich . Die Symbioticon der Sparkassen-Finanzgruppe ist hierfür ein gutes Beispiel – bei dieser Veranstaltung mit ihrem Hackathon-Ideenwettbewerb wird die Hand deutlich ausgestreckt .

Zurück zur Gen Z : Bringt uns diese Generation zwangsläufig eine andere Sichtweise ? Sind das die gewünschten „ Systembrecher "?

Aus meiner Sicht auf die Studien zu dem Thema lässt der Faktor Alter allein , also eine Generationenzugehörigkeit , hierzu keine Schlüsse zu . Eine Gesellschaft ändert sich eher generationenübergreifend und in jeder Kohorte finden sich solche und solche . Bei der Gen Z bzw . der jeweils jüngsten Generation fallen Änderungen nur mehr auf , weil noch so viele große Entscheidungen zu treffen sind : zu Karrierewegen , zu Kundenbindungen , zu Markenloyalitäten und eben auch , bei welcher Bank Konten geführt werden . Deswegen achtet man mehr darauf , was diese Generation bewegt und wie man sie erreichen kann . Es sind eben die Trendsetter von morgen . Auf was wir uns aber mit der Gen Z zubewegen , ist die Creator Economy . Und hier kommt die Blockhain-Technologie wieder ins Spiel , weil damit die Intermediäre umgangen werden und Creator zum Beispiel direkt bezahlt werden können . Mit dem jüngsten Trend der Non-Fungible Tokens , also des Handels mit digitaler Kunst oder sogar Tweets , zeigt , dass wir in eine Phase eintreten , wo jeder seine Schöpfungen – Kunst , ein Buch , eine Präsentation – zur Verfügung stellen und auch zu Geld machen kann . Dafür braucht es wiederum Finanzdienstleister , die das unterstützen und Transaktionen ermöglichen . Auch hier werden diejenigen gewinnen , die die Pain Points adressieren . Hoffentlich dann aber über dezentrale Netzwerke .

Wer wird diese dezentralen Netzwerke treiben ?

Bei Bitcoin weiß man zum Beispiel gar nicht , wer wirklich dahinter steckt . Wer ist Satoshi Nakamoto ? Am Ende sind es natürlich Informatiker , die diese Entwicklungen antreiben . Die Nachfrage wird aber ausschlaggebend sein . Digitalisierung wird hier insofern auch Demokratisierung bedeuten , weil sich alle vernetzen können . Dadurch entsteht Schwarmintelligenz , aber auch Schwarmdummheit – damit werden wir umzugehen lernen müssen . Das Thema Gamestop hat es jüngst verdeutlicht : Informationen sind freier zugänglich und entgleiten der Kontrolle von Unternehmen . Als Kund * in lieben wir das , als Mitarbeiter * in eines Unternehmens stresst es uns . Und als Unternehmen muss ich mich fragen : Wo bricht uns Wertschöpfung weg , weil Informationen freier zugänglich werden ?

Wie lautet Ihre oberste Handlungsempfehlung an etablierte Banken und Sparkassen ?

Über allem steht für mich die Ausrichtung auf den Kunden und seine Pain Points . Als Slogan verpackt : Don ' t make products for anybody , make products for somebody . Dadurch lenken wir die genannte Nachfrage , auch in der Gen Z . Dafür müssen die eigenen Organisationen allerdings komplett neu ausgerichtet werden . Hierfür habe ich allerdings den Hinweis : New Work ist kein Selbstzweck , sondern sollte immer dem Ziel der Customer Centricity dienen . Und was ich zuletzt im Bereich der Autoindustrie erlebt habe : Es motiviert ungemein , sich als Unternehmen einen Feind zu suchen , der nicht zwingend ein Konkurrent sein muss . Um ans Ziel zu kommen , sollte man also nicht Tesla bekämpfen , sondern Umweltverschmutzung . Oder übertragen auf die Finanzindustrie : Nicht das erfolgreiche Fintech oder die Neo-Bank oder das Big Tech ist der Feind , sondern die fehlende Intransparenz und Flexibilität durch die Bankenbürokratie .

Das Interview führte : Clas Beese Co-Founder von finletter
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