REGIONALE ÖKOSYSTEME AUSGABE 12
Bild : Ina Remmers
LINKEDIN-INTERVIEW
LESEDAUER : 9 MIN
INA REMMERS
Nebenan . de ist eine der wenigen regionalen digitalen Plattformen .
Ina Remmers , Mitgründerin und Geschäftsführerin des Nachbarschaftsnetzwerk , erzählte uns auf LinkedIn , wie die Plattform entstanden ist , wie Nebenan . de das Henne- Ei-Problem von Plattformen löst und welche Erfolgsfaktoren sie für Regionalität im Digitalen sieht .
Silke Blumenröder | Ina Remmers
Silke Blumenröder , GOLDILOCKS • 6 . Oktober 10:46
Hallo Ina , ich freue mich , dich ( via LinkedIn ) kennenzulernen
. Gib mir gern ein Signal , wenn wir starten können
Ina Remmers • 6 . Oktober 12:04
Hallo liebe Silke , ich freue mich dich kennenzulernen Wir können gerne starten .
Silke Blumenröder • 6 . Oktober 12:24
Du bist Mitgründerin der Online-Plattform nebenan . de . Kannst du kurz erzählen , wie es zur Idee für dieses Nachbarschafts-Netzwerk kam ?
Ina Remmers • 7 . Oktober 16:59
Vater der Idee ist mein Mitgründer Christian Vollmann , der damals frisch umgezogen innerhalb Berlins nach Wegen suchte mit Nachbar : innen in Austausch zu treten . Für mich war die Idee damals ein absoluter No-Brainer , wie man so schön sagt . Ich bin selbst sehr ländlich groß geworden und konnte damals die Vorteile einer guten , sich unterstützenden Nachbarschaft direkt genießen .
Silke Blumenröder • 7 . Oktober 17:08
Was hat dich letztendlich von Christians Idee überzeugt ?
Ina Remmers • 7 . Oktober 17:20
Ganz einfach die Idee , Nachbarschaft wieder zu beleben und mithilfe moderner Technologie neu zu denken . Das Potenzial , das in unserem direkten Umfeld schlummert ist enorm . Und es macht etwas mit einem , wenn sich an einem Ort das Gefühl von „ Zuhause “ einstellt . Und dazu gehört es , die Menschen zu kennen und sich aufeinander verlassen zu können .
Silke Blumenröder • 7 . Oktober 17:28
Ist Christian auch heute noch Inhaber von Nebenan ?
Ina Remmers • 7 . Oktober 17:31
Christian war bis vor einem Jahr in der Geschäftsführung und ist heute noch Gesellschafter und Vorsitzender unseres Beirats . Die Geschäfte führen nun Till Behnke – ebenfalls Mitgründer – und ich .
Silke Blumenröder • 7 . Oktober 17:39
Wie du schon beschrieben hast , wird Nachbarschaft und Nachbarschaftshilfe im ländlichen Raum noch mehr gelebt , als in der anonymen Großstadt . Ist es so , dass die meisten Nebenan-Nutzer in einer großen Stadt leben ? Oder setzt sich die Idee , die Nachbarschaft mit Hilfe moderner Technologie zu beleben , auch in ländlichen Regionen durch ?
Ina Remmers • 8 . Oktober 12:58
Aktuell sind die meisten Nutzer : innen in Deutschlands Städten und im Umland der Städte aktiv . Aber auch in den ländlichen Regionen ist nebenan . de auf dem Vormarsch . Es spricht sich einfach deutlich langsamer herum auf dem Land . Das Bedürfnis nach Austausch , Hilfe und Gemeinschaft ist dort allerdings genauso groß . Und gerade der ländliche Raum leidet unter strukturellen Veränderungen , die Begegnung im Alltag immer schwerer machen . Die Kneipe von früher gibt es nicht mehr . Der Bäcker hat seine Filiale auch geschlossen , und man fährt das Kind mit dem Auto in den Kindergarten , weil man danach ja weiter zur Arbeit muss . Corona hat diese Situation teilweise noch verschärft , da noch nicht einmal Feste stattfinden konnten . Die Gemeinden , die nebenan . de nutzen , sind sehr glücklich über die Möglichkeit , online etwas anzustoßen , das offline dann für Begegnung sorgt . Nicht selten sind es im ländlichen Raum übrigens die Kommunalverwaltungen oder Bürgermeister : innen selbst , die auf uns zukommen .
Silke Blumenröder • 8 . Oktober 14:12
Interessant ! Helfen die Kommunalverwaltungen und Bürgermeister : innen auch dabei , ausreichend Nutzer : innen zu akquirieren ? Denn so ein Netzwerk funktioniert ja am besten , je mehr Leute daran teilnehmen . Für potentielle Nutzer : innen wiederum ist es eigentlich erst interessant , wenn es schon ausreichend Leute im Ort gibt , die bei nebenan . de aktiv sind . Wie lässt sich dieses „ Henne-Ei-Problem “ gerade in kleinen Regionen lösen ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 16:26
Das Henne-Ei-Problem lässt sich lösen , indem wir dabei helfen , dass einer den ersten Schritt tut . Eine : r muss auch bei der besten Party die / der Erste auf der Tanzfläche sein . Lokalpolitiker : innen , Gemeindevertreter : innen und Bürgermeister : innen sind im besonderen Maße engagierte Personen und eng mit ihrer Region verbunden . Es ist fast selbstverständlich , dass sie bei der Bekanntmachung von nebenan . de mithelfen – wenn sie eben eigenes Interesse daran haben . Manchmal sind es aber eben auch Nachbar : innen selbst , die aktiv werden und Einladungszettel verteilen .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 16:33
Was sind deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren , die anschließend dafür sorgen , dass auch Treffen und Austausch im „ echten “ Leben stattfinden und die Nebenan-Idee auch tatsächlich gelebt wird ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 16:43
Zum einen braucht man ein funktionierendes Produkt : also in unserem Fall eine Plattform , die genau das in wenigen Schritten und niedrigschwellig anstößt . Über eine gute UX und Features , die relevant sind . Zum anderen muss man dafür sorgen , dass in kurzer Zeit möglichst viele Leute mitmachen . Wenn ich auch hier nochmal das Bild der Party als Parallele heranziehen darf : Mindestens genauso wichtig wie die erste Person auf der Tanzfläche ist die zweite . Sie ist es , die das Eis für alle weiteren bricht .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 16:46
Hast du ein Beispiel für relevante Features ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 16:48
Unser Marktplatz zum Tauschen , Schenken und Verkaufen . Oder einen Ort , an dem ich alle lokalen und von Nachbar : innen empfohlenen Läden und Services finde .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 16:51
Verstehe ! Diese Anwendungen sind für die Nutzerschaft kostenlos , oder ? Womit verdient ihr Geld ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 17:00
Für uns stehen finanzielle Nachhaltigkeit und soziale Wirkung auf einer Stufe : Indem wir mit nebenan . de Geld verdienen , können wir den Betrieb und die Weiterentwicklung der Plattform gewährleisten . Damit wird unsere gesellschaftliche Wirkung erst möglich . Wir verfolgen ein faires , transparentes und nachhaltiges Geschäftsmodell , bei dem alle Akteure der Nachbarschaft einen Beitrag leisten : Private Nachbar : innen , gemeinnützige Organisationen , kommunale Träger und lokale Gewerbe . Gemeinsam formen sie das „ Ökosystem Nachbarschaft “. Die Finanzierung fußt daher auf mehreren Säulen :
· Freiwillige Förderbeiträge von privaten Nutzer : innen
· Kostenpflichtige Profile für Läden und Services
· Kostenpflichtige Profile für gemeinnützige Organisationen
· Kooperationen mit Städten und Kommunen
· Bezahlte Inhalte von ausgewählten Werbepartnern
Im Gegensatz zu anderen sozialen Netzwerken sind die bezahlten Inhalte bei nebenan . de nicht personalisiert oder vom Algorithmus gesteuert . Der Datenschutz ist garantiert . Das Schöne an einem Sozialunternehmen wie nebenan . de : Je besser wir darin werden , unser nachhaltiges Geschäftsmodell aufzubauen , desto besser können wir gesellschaftlich wirksam werden . Damit sich langfristig noch mehr Menschen in ihrer Nachbarschaft begegnen und sich zuhause fühlen können . Gerade Corona hat uns gezeigt , wie sehr wir davon alle gemeinsam profitieren .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 17:06
Das klingt fair . Ist euer Geschäftsmodell bereits profitabel ? Und wenn ja , wie viel Zeit und Geld musste bis zur Gewinnschwelle investiert werden ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 17:10
Wir sind auf dem Weg in die Profitabilität und wir gehen diese Schritte behutsam und bewusst . Wir haben 2015 gegründet und beschäftigen uns seit rund zwei Jahren intensiv mit der Refinanzierung . Man braucht also viel Zeit und Millionenbeträge , um eine Plattform wie unsere aufzubauen und in die finanzielle Unabhängigkeit zu führen .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 17:13
Wie genau sieht denn eure Gesellschafterstruktur aus ? Denn ich gehe mal nicht davon aus , dass ihr alle euer Privatvermögen in die Plattform investiert habt .
Ina Remmers • 12 . Oktober 17:20
Nein , für ein Vorhaben dieser Art braucht man entweder einen Lottogewinn oder Menschen und Unternehmen , die an einen glauben und investieren . Das waren zu Beginn teilweise wir selbst sowie Business Angels , später dann auch ein VC und Verlage . Heute hält Burda die Mehrheit und ermöglicht uns so nicht nur den nötigen finanziellen Rahmen , um unsere Ziele zu erreichen , sondern ein tolles familiengeführtes Umfeld ( made in Germany , möchte ich noch ergänzen ), um nachhaltig unternehmerisch tätig sein zu können .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 17:25
Gibt es Konkurrenz für euch ? Oder seid ihr inzwischen so gut aufgestellt , dass ihr euch vor Mitbewerbern nicht fürchten müsst ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 17:28
Es wäre sicherlich fatal pauschal zu sagen , dass wir uns nicht fürchten müssen , aber wir konzentrieren uns ganz bewusst auf uns und unsere Stärken . Aktuell sind wir recht konkurrenzlos , aber uns ist bewusst , dass Lokalisierung ein absoluter Megatrend ist , den sich auch andere genau anschauen .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 17:32
Sind euch bereits andere bekannt , die Regionalität und Technologie so erfolgreich verknüpfen wie ihr – oder das zumindest versuchen ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 17:35
Es gibt einige , die das teilweise auch vor uns schon getan haben . Allerdings immer nur mit einem konkreten Use Case – zum Beispiel : verkaufen . Regionalität wird ausschließlich technologisch gesehen eingesetzt , also als Filterfunktion . Die ganzen soften Faktoren , die durch eine echte Community addiert werden , spielen hier keine Rolle . Ein Beispiel dafür sind große digitale Marktplätze .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 17:41
Wie sieht es denn mit einer weiteren Marktdurchdringung aus , vielleicht in die Nachbarländer oder darüber hinaus ? Habt ihr da Pläne oder seid ihr eine Internationalisierung gar schon angegangen ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 17:45
Wir sind bereits in Frankreich und Spanien aktiv . Aktuell sind das – nach Deutschland – die Märkte , auf die wir uns konzentrieren .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 17:54
Läuft es in Spanien und Frankreich ähnlich erfolgreich an , wie in Deutschland , wie sind da eure Prognosen ?
Ina Remmers • 12 . Oktober 17:57
Wir sind in beiden Ländern mit sehr kleinen Teams aktiv , die einen fantastischen Job machen , sodass wir auch dort bereits Nutzer : innen im sechsstelligen Bereich verzeichnen können .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 18:02
Gratuliere . Eine Frage hätte ich noch zum Abschluss unseres Interviews : Nehmen wir mal an , die Sparkassen wollen euch kaufen . Habt ihr so etwas wie eine Exit-Strategie ? Was müssten Interessierte theoretisch dafür zahlen ?
Ina Remmers 12 . Oktober 18:03
Wir lieben , was wir tun . Alles weitere würde den Rahmen dieses Interviews sprengen .
Silke Blumenröder • 12 . Oktober 18:07
Sehr gute Antwort . . Ina , ich danke dir für dieses Interview . Hat mir Spaß gemacht mit dir virtuell zu plaudern .
Ina Remmers • 12 . Oktober 18:10
Vielen Dank auch an dich .
Das Interview führte : Silke Blumenröder , freie Journalistin
WIRD PRÄSENTIERT VON